Angstgefühle kennt jeder. Ab wann jedoch übersteigen sie das normale Maß und entwickeln sich zu einer Angststörung? Welche Formen von Angsterkrankungen können den Schulbesuch beeinträchtigen und wo gibt es Unterstützung?
Angst und Angststörung lassen sich wie folgt voneinander abgrenzen:
Angst ist ein wichtiges und normales Gefühl, das den Körper auf eine mögliche (natürliche) Kampf- oder Fluchtreaktion vorbereitet. Sie warnt uns in gefährlichen Situationen und schützt uns vor wirklichen Gefahren. Daher kann sie sehr nützlich und lebensrettend sein.
Angstreaktionen zeigen sich im Denken, Verhalten, Fühlen und körperlichen Reaktionen eines Menschen. Sie können unterschiedlich schnell ausgelöst und unterschiedlich intensiv erlebt werden.
Im Kindes- und Jugendalter gibt es Ängste, die in bestimmten Altersstufen zur normalen Entwicklung dazu gehören: z. B. die Angst vor Fremden, Dunkelheit, Einbrechern, Naturkatastrophen, Ablehnung durch Gleichaltrige. Diese Ängste werden in der Regel nach einiger Zeit überwunden.
Anders ist das bei einer Angststörung. Diese entwickelt sich, wenn häufig unangemessene oder sehr starke Angstgefühle auftreten, wenn diese lang anhalten und zu deutlichen Einschränkungen im Alltag sowie zu einem hohen Leidensdruck führen.
Ca. 25 % der Menschen erkranken einmal im Laufe ihres Lebens an einer Angststörung. Damit ist sie die häufigste psychische Erkrankung weltweit. Auch bei jedem zehnten Kind bzw. Jugendlichen in Deutschland ist das Leben durch Ängste so beeinträchtigt, dass Hilfe von außen nötig ist. Angststörungen können sich verfestigen oder auch mit anderen psychischen Erkrankungen zusammen auftreten (Depression, Zwangsstörung, Störung des Sozialverhaltens, ADHS, Suchterkrankungen). Vor allem, wenn Menschen gleichzeitig an einer Depression leiden, kommt es vor, dass sie darüber nachdenken, sich das Leben zu nehmen. Dann besteht Suizidgefahr. Daher ist es wichtig, dass Angststörungen möglichst frühzeitig erkannt und behandelt werden.
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus betont mit dem 10-Punkte-Programm zur Aufklärung über Angststörungen und Depressionen an Schulen die Wichtigkeit dieser Themen. Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler mit Angststörungen und Depressionen häufiger erkannt werden und ihnen zeitnah noch besser geholfen werden kann.
In der Schule können Ängste vor allem von zu hohen Leistungsanforderungen, Überforderung, unzureichender Vorbereitung auf Prüfungssituationen oder durch Sozialkontakte ausgelöst werden. Drei spezifische Ängste stehen besonders eng im Zusammenhang mit den schulischen Herausforderungen:
Wer Prüfungsangst (oder Leistungsangst) hat, erlebt Prüfungs- und Leistungssituationen als bedrohlich. Sie können sehr starke Angstgefühle, meist verbunden mit deutlichen körperlichen Reaktionen, auslösen und können im Extremfall zu einer vollständigen Denk- und Handlungsblockade (Black-out) führen:
- Gedanken: Ich verstehe das einfach nicht. Das wird sicher wieder eine Fünf. Ich kann nicht mehr denken.
- Körperreaktionen: Ich habe Bauch- / Kopfschmerzen. Mein Herz klopft. Mein Mund wird trocken. Meine Hände schwitzen und zittern.
- Gefühle: Mir graut vor morgen. Ich gerate in Panik.
- Verhalten: Ich gebe auf. Morgen melde ich mich krank.
Bei Schulangst wird die Angst durch bedrohlich empfundene bzw. bedrohlich erlebte Situationen in der Schule (z. B. Beschämung, Beschimpfung, Ausgrenzung, Mobbing) oder negative Einstellungen von wichtigen Bezugspersonen ausgelöst:
- Gedanken: Ich will da nicht mehr hingehen! Mich vermisst eh keiner.
- Körperreaktionen: Ich habe Bauchschmerzen. Mein Herz pocht. Ich habe Kopfschmerzen.
- Gefühle: Ich schäme mich. Ich fühle mich bedroht. Ich fühle mich allein.
- Verhalten: Ich spreche mit niemandem darüber. Ich schwänze den Unterricht.
Eltern, Lehrkräfte und Mitschülerinnen wie Mitschüler können durch ihr Verhalten die Entwicklung einer Schulangst begünstigen. Schulangst kann sich zu einer generellen Angst vor der Schule verdichten und bis zur vollständigen Schulvermeidung führen.
Die Schulphobie ist (im Gegensatz zur phobischen Störung) keine auf die Schule gerichtete Angst, sondern im Kern Trennungsangst, bei der die Kinder- oder Jugendlichen die Trennung von wichtigen familiären Bezugspersonen fürchten, meist verbunden mit der Angst, dass der Bezugsperson etwas zustoßen könnte:
- Gedanken: Ich gehe lieber nicht weg. Wer weiß, was dann daheim passiert!
- Körperreaktionen: Ich habe Bauch- / Kopfschmerzen. Mir ist schwindelig. Mir ist übel.
- Gefühle: Ich mache mir Sorgen (um meine Mutter), ich fühle mich verantwortlich (für sie).
- Verhalten: Ich gehe nicht in die Schule. Ich wehre mich mit allen Mitteln dagegen.
Auch Schulphobie kann unbehandelt zum vollständigen Abbruch des Schulbesuchs führen.
Unterstützungsangebote
Erste Ansprechpersonen sind neben jeder Lehrkraft des Vertrauens, insbesondere die Klassenlehrkraft, die zuständige Schulpsychologin bzw. der zuständige Schulpsychologe oder die Beratungslehrkraft an der Schule vor Ort. Die Kontaktdaten finden sich auf der jeweiligen Schulhomepage oder auf dem Aushang am Beratungszimmer.
Darüber hinaus stehen für Hilfesuchende auch die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen an den Staatlichen Schulberatungsstellen in Bayern zur Verfügung.
Schulpsychologinnen und Schulpsychologen können eine diagnostizierte Angststörung nicht behandeln, jedoch in einer Vorabklärung eine Einschätzung abgeben, ob eine Angsterkrankung bei der Schülerin bzw. dem Schüler vorliegen könnte. Je nach Schweregrad werden Betroffene schulpsychologisch beraten, wie z. B. durch eine verbesserte Vorbereitung auf Leistungssituationen der Angst begegnet werden kann, oder an weitergehende Unterstützungsmöglichkeiten vermittelt.
- Hausärztinnen bzw. -ärzte und Kinder- und Jugendärztinnen bzw. -ärzte
- Fachärztinnen bzw. -ärzte für Kinder- und Jugendlichen-Psychiatrie und -Psychotherapie
- Familien- und Erziehungsberatungsstellen
- Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutinnen bzw. -therapeuten
- Ambulanz der nächst gelegenen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Eine Zusammenstellung von externen örtlichen, regionalen und überregionalen Hilfsangeboten für Schülerinnen, Schüler und Eltern bzw. Erziehungsberechtigte ist auf allen Schulwebseiten in Bayern zu finden.
Online und telefonisch können betroffene Jugendliche auch überregional Hilfe bei Angststörungen im Kinder- und Jugendalter finden:
Kinder- und Jugendtelefon – Nummer gegen Kummer: telefonisch erreichbar unter 116 111 (kostenlos, Montag bis Samstag von 14:00 Uhr bis 20:00 Uhr)
Jugendberatung
Informationen der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)
Online-Beratung von Jugendlichen für Jugendliche
Informationswebseiten zum Thema Angststörungen:
Erklärvideo Angststörung für Kinder
Erklärvideo Angststörung für Jugendliche und Erwachsene
Neurologen und Psychiater im Netz zum Thema Angststörungen
BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung):
Stand: 19. November 2024